Es ist schon eigenartig: Die PIA ProtectInvestAlliance der beiden Rechtsanwaltskanzleien Nieding+Barth aus Frankfurt und TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen hat die britische Bank Barclays im Auftrag von 1.000 Geschädigten mit einem Gesamtschadensvolumen von mehr als 100 Millionen Euro verklagt, weil die Bank Zertifikate aus Produkten des verurteilten und inhaftierten Begründers des betrügerischen Schneeballsystems K1 Invest GbR / K2 Invest GbR Helmut Kiener aus Aschaffenburg vertrieben hatte.
Aber im Fall des mutmaßlichen S&K-Schneeballsystems mit rund 37.000 Geschädigten und einer Schadenssumme von ebenfalls über 100 Millionen Euro will man ausgerechnet einen der eifrigsten Anpreiser und Vermittler von S&K-Produkten, die Fondsvermittlung24.de aus Wiesbaden, verschonen, obwohl dahinter ein sehr finanzstarkes Unternehmen steht und die Haftung übernimmt: die NFS Netfonds Financial Service GmbH aus Hamburg.
Die NFS Netfonds Financial Service GmbH verzeichnete im Jahre 2011 bei einem Aufwand von rund 7,9 Millionen Euro einen Provisionsertrag von 9,5 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor lag der Aufwand bei 6,3 Millionen Euro und der Provisionsertrag bei 7,6 Millionen Euro.
Die NFS Netfonds Financial Service GmbH gehört zu 100 Prozent der Netfonds AG an selber Stelle in Hamburg (Süderstraße 30). Sie hat von ihrem Umsatz von rund 37 Millionen Euro im Jahre 2011 rund 2 Millionen Euro Kapitalrücklagen und rund 1,1 Millionen Euro sonstige Rücklagen gebildet. Die Netfonds AG wandte im Jahr 2011 rund 31 Millionen Euro für Provisionen auf (im Jahr davor 25 Millionen Euro) und erzielte im selben Jahr Provisionserlöse von 37 Millionen Euro (im Jahr davor 29 Millionen Euro).
Vor dem deutschen Massenkläger PIA ProtectInvestAlliance mit Sitz An der Dammheide 10 in Frankfurt (auch Kanzleisitz der Rechtsanwälte Klaus Nieding und Peter Barth), die nach eigener Darstellung in "kapitalen Schadensfällen" mehr als 10.000 Mandanten vertritt, braucht sich die NFS Netfonds AG zumindest nicht im Fall S&K und der Fondsvermittling24.de zu fürchten.
Die PIA ProtectInvestAlliance empfiehlt S&K-Geschädigten per E-Mail, Schäden lediglich gegen die Fondsgesellschaft wegen möglicher Prospekthaftung, gegen Mittelverwendungskontrolleure und gegen Treuhänder geltend zu machen. Vermittler gehören in diesem Fall nicht zur Zielgruppe.
Zwar, so heißt es in einem PIA-Schreiben von Geschäftsführer Rechtsanwalt Klaus Nieding, das dem Finanznachrichtendienst GoMoPa.net vorliegt, "kommt grundsätzlich auch eine Haftung des Anlageberaters beziehungsweise -Vermittlers in Betracht, auf dessen Empfehlung Betroffene ihr Engagement in Kapitalanlagen der S&K-Gruppe getätigt haben. Ob diese allerdings zu den lohnenden Anspruchsgegnern beziehungsweise Haftungssubjekten gehören und daher sinnvollerweise überhaupt in Anspruch genommen werden, muss im Einzel fall gesondert geprüft werden (Stichwort "tiefe Taschen"). Es ist in jedem Fall die Wirtschaftlichkeit der jeweiligen Inanspruchnahme von potentiellen Anspruchsgegnern vorab zu prüfen, um zu vermeiden, dass Geld für teure Verfahren ausgegeben wird, ohne dass im Endeffekt tatsächlich eine Beitreibung beziehungsweise Kompensation der entstandenen Schäden erfolgen kann."
Im Fall der Fondsvermittlung24.de wird gleich ganz auf jegliches Vorgehen verzichtet.
Ein Anleger, der das Beratungsangebot der PIA ProtectInvestAlliance annahm, erlebte folgendes:
Zitat:
Bei dem persönlichen Gespräch am ... um ... bei der PIA An der Dammheide 10 in Frankfurt war meine Frau als Zeugin anwesend.
[...]
Dann hat er (ein Rechtsanwalt in einer anderen Angelegenheit - Anmerkung der Redaktion) uns absprachegemäß Herrn Rechtsanwalt ... als Sachbearbeiter zur S&K-Angelegenheit ins Besprechungszimmer geschickt, der uns dann unter anderem darüber informierte, dass PIA nichts gegen Fondsvermittlung24.de unternehmen wird. Gründe hat er trotz Nachfrage nicht genannt.
Auch GoMoPa.net wollte von den beiden Geschäftsführern der PIA ProtectInvestAlliance, Rechtsanwalt Klaus Nieding (49, zugleich seit 2011 Vizepräsident der DSW Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. in Düsseldorf mit 25.000 Mitgliedern) und Rechtsanwalt Andreas Tilp (50), wissen: Warum geht die PIA ProtectInvestAlliance in Sachen S&K nicht gegen Fondsvermittlung24.de vor?
Eine Antwort steht noch aus.
Doch eine Antwort, vielleicht sogar die entscheidende, lieferte die Fondsvermittlung24.de gleich selbst.
Denn nicht die PIA ProtectInvestAlliance wandte sich direkt an die möglichen S&K-Geschädigten. Wie auch? Woher sollten die Rechtsanwälte die E-Mail-Adressen der Geschädigten haben?
Sondern die Fondsvermittlung24.de schrieb ihre Kunden an und bot den Käufern der von ihr vermittelten Produkte nun Hilfe durch erfahrene Rechtsanwälte an.
In einer Kunden-Rundmail vom 1. März 2013 bot Tim Schieferstein (Geschäftsführer Fondsvermittlung24.de Geschlossene Beteiligungen GmbH) den Kunden an:
Zitat:
S&K Sachverhalt:
Fondsvermittlung24.de unterstützt Sie
[...]
Aktuell bewerben sich viele Anwälte als Helfer in der Not, doch nicht alle sind seriös oder kompetent. Anleger die einen Anwalt suchen, sollten sich auf jeden Fall über dessen bisherige Tätigkeit informieren und prüfen, ob die entsprechende Kanzlei bereits Anleger in Kapitalanlageverfahren vertreten hat. Fondsvermittlung24.de hat gemeinsam mit verschiedenen Kanzleien mögliche Anspruchsgrundlagen von Anlegern geprüft. Solange allerdings gar nicht klar ist, wer genau für welche Taten verantwortlich gemacht werden kann, können auch keine Klagen oder Ansprüche auf Schadenersatz geltend gemacht werden.
Fondsvermittlung24.de kooperiert für die Prüfung von Anspruchsgrundlagen mit der PIA.
Bei einer anderen großen Wirtschaftskanzlei gingen daraufhin vermehrt Anfragen ein, ob da nicht ein Interessenkonflikt vorliege, wenn die alten S&K-Vermittler nun als vermeintliche Retter eine bestimmte Großkanzlei empfehlen und dafür offenbar im Gegenzug verschont werden?
Die Wirtschaftskanzlei, bei der die besorgten Anfragen eingingen, die aber ihren Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Öffentlichkeit lesen möchte, teilte GoMoPa.net mit:
Zitat:
Uns erreichen derzeit vermehrt Anfragen von Geschädigten S&K Anlegern (hauptsächlich Deutsche S&K Sachwerte GmbH & Co. KG und Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2 GmbH & Co. KG), die von ihren ehemaligen Vermittlern angeschrieben wurden und die Kanzlei PIA für die Durchsetzung ihrer Ansprüche empfohlen bekommen.
Was den Angeschriebenen (und uns) dabei merkwürdig vorkommt, ist die Tatsache, dass diese Kanzlei gegen die Vermittler der Anlage keine Ansprüche geltend machen wird.
Hier wird also offensichtlich zu dem Mittel gegriffen, dass die Vermittler in ihrem Kundenpool fleißig Akquise betreiben sollen und dafür der Inanspruchnahme für eigene Pflichtverletzungen "entkommen" sollen.
Aus unserer Sicht nicht unbedingt die beste Lösung für die Mandanten, zumal es sich bei einigen der Vermittlern, gegen die nicht vorgegangen werden soll, um sehr große Vermittlungsgesellschaften handelt, die - zumindest nach den Angaben unserer Mandanten - die Beteiligungen an den S&K Fonds unter falschen Vorzeichen verkauft haben (wie die gern genommene Anpreisung, der Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2 investiere direkt in Immobilien, und die Gelder der Anleger seien deshalb sicher).
So warb auch die Fondsvermittlung24.de. Die Kunden wurden von einem Callcenter angerufen. Fondsvermittlung24.de richtete eine kostenlose Service-Hotline für die Deutsche S&K Sachwerte Nr. 2 GmbH & Co. KG der United Investors aus Hamburg ein. Der Fonds war am 28. Oktober 2011 gegründet worden und musste am 6. August 2013 wegen Insolvenz aufgelöst werden (Amtsgericht Hamburg, Aktenzeichen 67g/N93/13).
Zur Unternehmensgruppe VSP Financial Services AG, zu der die Fondsvermittlung24.de in der Borsigstraße 18 in Wiesbaden gehört, zählt auch eine DGF Deutsche Gesellschaft für Finanzanalyse mbH an selber Stelle.
Am 14. März 2012 pries Fondsvermittlung24.de beispielsweise den Deutsche S&K Sachwerte als "interessante Kapitalanlage" (siehe Ausriss oben).
Der Vertriebsleiter geschlossene Fonds der Fondsvermittlung24.de, Gert Seiche, hatte bereits am 23. Februar 2012 mit Wichtigkeit "Hoch" eine Rund-E-Mail versandt mit der Überschrift: "Verbraucherschutz empfiehlt die Deutsche S&K". Die Deutsche S&K sei "besonders vertrauenswürdig und verbraucherfreundlich" (siehe Ausriss).
Die Veröffentlichungen zur S&K sind inzwischen gründlich entfernt worden. Der Gesellschafter Tim-Florian Schieferstein der VSP Financial Services AG, zu der Fondsvermittlung24.de gehört, vermittelt heute lieber Gold- und Silberinvestments. Arm ist die VSP Financial Services AG nicht. 2011 verfügte die Mutterholding über Vermögenswerte in Höhe von 3,6 Millionen Euro, ein Eigenkapital von 2 Millionen Euro und ein working capital von knapp 700.000 Euro.
Die nun im Fall S&K kooperierende Großschadens-Kanzlei PIA aus Frankfurt, die nun von Schieferstein als seriöse Helfer empfohlen wird, kommt die Mandanten allerdings teurer zu stehen, als wenn sie bei anderen ähnlich großen Kanzleien Rat und Mandat gesucht hätten.
Die S&K-Ratsuchenden müssen laut einem Schreiben von PIA-Geschäftsführer Klaus Nieding schon für die Beratung bei einer S&K-Investitionssumme (Streitwert) bis 5.000 Euro sofort 300 Euro zahlen. Die Summe steigert sich bis auf 1.800 Euro bei einer S&K-Investitionssumme von bis zu 200.000 Euro.
Bei einer weiteren Mandatierung werde dieses Beratungshonorar dann einmalig hälftig auf die entstehenden Rechtsanwaltsgebühren angerechnet, verspricht Klaus Nieding.
Auch dieses hohe Beratungshonorar sei ungewöhnlich, schätzte eine ebenfalls mit S&K befasste Wirtschaftskanzlei gegenüber GoMoPa.net ein. Die Kanzlei teilte mit:
Zitat:
Erstaunlich ist aus unserer Sicht folgendes:
Wenn ich die Darstellung der PIA hinsichtlich der Kosten richtig verstehe, dann werden für die Erstberatung beziehungsweise Einschätzung bereits die in der Tabelle genannten Kosten fällig.
Die Gebühren für das weitere Vorgehen entstehen darüber hinaus wohl bei Mandatierung und das "Beratungshonorar" wird hierauf hälftig angerechnet.
Diese Gebühren liegen weit über dem was das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz als angemessen für eine Beratung beziehungsweise Prüfung des Falles ansetzt.
Nach § 34 RVG sollen zwar grundsätzlich Gebührenvereinbarungen getroffen werden, allerdings liegt die zum Beispiel bei 200.000 Euro vorgesehene "Beratungsgebühr" von 1.800 Euro bei dem 7,2-fachen der vorgesehenen gesetzlichen Gebühr für die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens für einen Verbraucher (250 Euro vergleiche § 34 RVG).
Alles in allem aus unserer Sicht eine eher fragwürdige Art der Mandantenwerbung und der Abrechnung, die die beiden "Platzhirsche" Tilp und Nieding veranstalten, vor allem da den hilfesuchenden Anlegern in der Regel nicht bewusst sein dürfte, dass weder das eine noch das andere Vorgehen "marktüblich" ist, sondern man sich als Mandant, der mit diesen Themen in der Regel noch nie zu tun hatte, zwar über die Höhe der Rechnung wundern dürfte, dann aber davon ausgeht, dass das bei Anwälten eben so sein muss beziehungsweise alles schon seine Richtigkeit hat...
Wie Sie sehen ein aus unserer Sicht sehr ärgerliches und interessantes Thema.
Bislang ist ein Verzicht auf Vermittler-Haftung als Dankeschön für Mandantenvermittlung mit Wucher-Beratungshonorar im Fall S&K von der PIA ProtectInvestAlliance bekannt. Nun denn...
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