Donnerstag, 16. August 2012

Finanzjongleure müssen ins Gefängnis

Amtsgericht Tettnang sieht Betrugsabsicht als erwiesen an – Unternehmer fällt auf falsche Versprechungen rein

Das Urteil ist gesprochen, die Angeklagten müssen ins Gefängnis. (Foto: Shutterstock)

FRIEDRICHSHAFEN / li Weil sie einen Unternehmer aus dem Bodenseekreis mit dubiosen Kreditgeschäften über den Tisch gezogen haben sollen, müssen ein 49-jähriger Unternehmer aus Hennef und sein ebenfalls 49-jähriger Kompagnon aus Merseburg ins Gefängnis. Ersteren verurteilte das Amtsgericht Tettnang gestern Abend zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, letzterer bekam sogar noch zwei Monate mehr aufgebrummt, weil er wegen Betrugs bereits vorbestraft war.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden in betrügerischer Absicht handelten, als sie dem Unternehmer aus dem Bodenseekreis gegen Zahlung von 150 000 Euro ein Darlehen in Höhe von fünf Millionen Euro zusagten. Von diesen fünf Millionen hätten nur 3,5 Millionen an den Unternehmer ausgezahlt werden sollen. Die Differenz von 1,5 Millionen wollten die beiden Verurteilten über Firmen im europäischen Ausland so anlegen, dass sich das gesamte Darlehen quasi von selbst amortisiert. „So etwas gibt es nicht“, stellte Richter Axel Müller in seiner Urteilsbegründung fest. „Wenn es das gäbe, würden das all jene nutzen, die in der Finanzwelt sehr viel stärker engagiert sind als Sie“, stellte er in Richtung der beiden Angeklagten, die ihr Geschäftsmodell auf bloße Hoffnung gestützt und dabei billigend in Kauf genommen hätten, dass ihre Kunden ihr investiertes Eigenkapital verlieren. Dem Unternehmer vom Bodensee zahlten die Angeklagten letztlich weder die Darlehenssumme aus, noch das Eigenkapital zurück. Ein Vermögensschaden liegt zwar nicht vor, da auf einem gepfändeten Konto des Angeklagten aus Hennef mittlerweile 150 000 Euro bereit stehen. Dafür aus Sicht des Richters aber eine Vermögensgefährdung, die für eine Verurteilung wegen einfachen Betrugs ausreicht. Die Anklage war ursprünglich auf schweren Betrug ausgelegt. Dass zumindest eine Vermögensgefährdung vorlag, begründete der Richter unter anderem damit, dass sich zum Zeitpunkt der Pfändung lediglich 87 000 Euro auf dem Konto befanden und beide Angeklagten von ihren jeweiligen Konten Investitionen tätigten (zum Beispiel den Kauf eines Audi A5 Sportback für 50 000 Euro), die nicht durch eigene Einkünfte gedeckt waren, sondern mutmaßlich durch Zahlungen Dritter, sprich: andere Kunden, die sich auf ähnlich fragwürdige Finanzierungsmodelle eingelassen hatten, wie der Unternehmer aus dem Bodenseekreis. Davon gab es offenbar einige. Zum Beispiel den letzten Zeugen, der gestern aus der Lausitz angereist war, um gegen die beiden Finanzjongleure auszusagen. Auch er war aus Verzweiflung heraus der Verlockung erlegen, durch das wundersame Geldvermehrungssystem der beiden Angeklagten seine finanziellen Probleme auf einen Schlag lösen zu können. Und er ließ sich sogar dazu hinreißen, als Vermittler weitere Kunden heranzuschaffen. Auch er erhielt letztlich weder die Darlehenssumme ausgezahlt noch seine 150000 Euro Eigenkapital zurückerstattet.

Schneeballsystem

Den Begriff „Schneeballsystem“ nahm Richter Müller in den Mund, ohne den beiden Angeklagten direkt vorzuwerfen, ein solches betrieben zu haben. Seine leicht süffisante Anmerkung dazu: „Da Sie beide aus dem Flachland kommen, traue ich Ihnen gar nicht zu, so mit Schneebällen zu werfen, dass das System funktioniert.“ Als strafmildernd erkannte das Gericht bei dem Angeklagten aus Hennef allenfalls dessen gesellschaftliches Engagement (er ist unter anderem in der Karnevalsszene aktiv) und die Tatsache, dass er nicht vorbestraft ist, an. Für eine Bewährung reichte das letztlich nicht, auch weil sich beide Angeklagten bis zum Schluss nicht zur Sache äußerten. Ihre Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert. Unter anderem verwiesen sie auf Darlehensverträge, durch die die Angeklagten auf 20 Millionen Euro hätten zurückgreifen können. Zum Zeitpunkt, als der Darlehensvertrag mit dem Unternehmer vom Bodensee abgeschlossen wurde, seien sie demnach davon ausgegangen, dass dieses Geld tatsächlich fließen würde und das Geschäft wie vereinbart zustande kommt. Der Richter zeigte sich davon wenig beeindruckt. Die Angeklagten hätten genau gewusst, dass sie nicht in der Lage sein würden, ihre vertraglichen Pflichten als Darlehensnehmer zu erfüllen. Müller: „Man hätte genauso sagen können: Jetzt spielen wir Lotto.“

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